Standpunkt Stiftung

Standpunkt Stiftung: Stiftungen brauchen Netzwerke, Netzwerke brauchen Stiftungen.

von Dr. Adriana Lettrari, Geschäftsführerin und Vorstandsmitglied, Stiftung für Ehrenamt und bürgerschaftliches Engagement

Stiftungen fördern lokale Gemeinschaften, beteiligen sich an Allianzen zur Lösung globaler Herausforderungen, laden zu sektorenübergreifenden Gesprächen ein, schaffen Räume für Austausch und Verständigung. Stiftungen verstehen sich also längst nicht mehr ausschließlich als Förderer, sondern auch als Gastgeber, Brückenbauer sowie Unterstützer organisationaler Ökosysteme. Die Frage „Warum Allianzen und Netzwerke?“ macht zunehmend Platz für die Erkundung von Bedingungen für erfolgreiche Netzwerke.

Netzwerkhilfe im Ukraine Krieg

Schon am ersten Wochenende des Krieges haben gut vernetze zivilgesellschaftliche Organisationen wie MitOst mit Partnerorganisationen in der Ukraine ein Unterstützungssystem für Hilfsgüter aufgebaut. Am 2. März 2022 haben dank der Vernetzung durch den Bundesverband Deutscher Stiftungen viele Mitgliedsstiftungen von dieser Aktion erfahren. Sie haben mit ihren Spenden dazu beigetragen, dass MitOst bis Ende April 1 Mio. Euro an Menschen und Organisationen in der Ukraine und den Nachbarländern weiterleiten konnte. Das Geld wurde für dringend benötigte Hilfsgüter genutzt, ohne dass ein Euro in die Administration geflossen ist. Inzwischen übernehmen diese Aufgabe die großen, internationalen Hilfsorganisationen, während Zivilgesellschaft und Stiftungen sich neuen Aufgaben zuwenden. Sie vermitteln verstärkt Kontakte und Wissen aus den Netzwerken zum Beispiel an Initiativen, die den Wiederaufbau der Ukraine planen. Nur zwei Monate nach Kriegsbeginn startet nun unter anderem ein Stipendienprogramm für Akteure der ukrainischen Zivilgesellschaft im Exil. 

Gut vernetzte zivilgesellschaftliche Organisationen übernehmen so die Rolle von Pionieren, Vermittlern und Netzwerkern. Sie gehen dabei ein hohes finanzielles Risiko ein und benötigen daher Förderer, Vertrauen, aber vor allem langfristige und strategische Partner. 

Netzwerkansatz als Instrument des Stiftungswirkens

Dieses Beispiel zeigt, wie schnell und effektiv Stiftungen und zivilgesellschaftliche Organisationen in Netzwerken agieren können. Warum also fällt es Stiftungen im normalen Geschäftsbetrieb so schwer, sich auf den Netzwerkansatz einzulassen? 

Stiftungen sind den Spielregeln der Gemeinnützigkeit verpflichtet, die sie an eine transaktionale und kausale Wirkungslogik gebunden haben. Stiftungen erwarten in der Regel vorab ein Verständnis, was sie für „ihr Geld“ erhalten. Das macht es schwer, Stiftungen als Förderer und Partner für Netzwerke zu gewinnen: In der Netzwerkarbeit ist es kaum möglich, schon vorab klare und messbare Ergebnisse für Interventionen und Projekten zu definieren.  

Kernherausforderung: Strategische Richtung und Netzwerkansatz verbinden

In der Regel entwickeln Stiftungen zunächst eine strategische Richtung und eine dazugehörige Theory of Change. Auf dieser Grundlage werden dann Auswahlkriterien bei Förderwettbewerben und interne Erfolgskriterien definiert sowie Fördermittel vergeben. Dieser stringente und kontrollierbare Prozess ist seit Jahrzehnten gewohnte und gelebte Praxis.

Wie können sich Stiftungen aus dieser Praxis lösen und auf Netzwerke einlassen? Wie können sie der Offenheit des Netzwerkansatzes vertrauen, Kontrolle abgeben und Partner auf Augenhöhe werden, ohne dabei ihren strategischen Fokus und die Verpflichtung zu einer effizienten Mittelverwendung zu verlieren?

Strategieentwicklung im Netzwerk bedeutet, die Perspektiven und Expertisen relevanter Akteure im Feld frühzeitig einzubinden und sie an einer kontinuierlichen Weiterentwicklung der Theory of Change zu beteiligen. Das Arbeiten mit einem Netzwerkansatz bedeutet aber auch, die Deutungshoheit und damit Macht abzugeben und anzuerkennen, dass Geld nur eine von vielen nötigen Ressourcen für Veränderungsprozesse ist. Darüber hinaus ist der Netzwerkansatz zunächst zeitintensiver. Langfristig zahlt sich das Investment in Beziehungsaufbau aber mehrfach aus, denn auf Vertrauen aufgebaute Netzwerke ermöglichen schnelles Lernen, fortwährende Anpassung der strategischen Richtung und dadurch auch effizientere Hebel für die eingebrachten Ressourcen. 

In der DSA-Rubrik "Standpunkt Stiftung" werden ausgewählte Stiftungsthemen durch Meinungsbeiträge von Vertreterinnen und Vertretern aus der Stiftungswelt beleuchtet. Weitere Standpunkte finden Sie unter "Aktuelles".