Standpunkt Stiftung

Standpunkt Stiftung: Die Stiftungsrechtsreform – gleiches Recht für alle?

von Dr. Anna Kraftsoff, Leiterin Regionalbüro Berlin im Deutschen Stiftungszentrum / Rechtsanwältin und Partnerin Deutsche Stiftungsanwälte

Das neue BGB-Stiftungsrecht steht nun vor der Tür. Am 1. Juli 2023 soll es in Kraft treten. Es wurde lange und kontrovers diskutiert, kommentiert, beraten und abgewogen, um im Ergebnis das einheitliche Bundesrecht zu werden, welches den bisherigen Flickenteppich der Landesstiftungsgesetze ablöst und mehr Rechtssicherheit für alle Beteiligten schafft. Nun zeichnet sich in der Anwendungspraxis ab, dass die Bestandsstiftungen gegenüber den neu zu gründenden rechtsfähigen Stiftungen benachteiligt werden.

Wenn aktuell eine rechtsfähige Stiftung gegründet wird, wirkt das neue Recht bei der Gestaltung der Stiftungssatzung in der Regel vor, so dass die Stiftungsbehörden die neuen Gestaltungsräume zulassen. Die Stifter können ihren Willen entfalten und die Vorteile des neuen Rechts für sich nutzen. Insbesondere wenn es darum geht, in der Stiftungssatzung Regelungen vorzusehen, die vom gesetzlichen Drei-Stufen-Modell der Satzungsänderungen abweichen.

Das BGB neuer Fassung unterscheidet zwischen drei Fallgruppen von Satzungsänderungen. Das Grundprinzip ist, dass je stärker die Satzungsänderungen die Stiftung verändern, desto strenger sind die Voraussetzungen für Satzungsänderungen formuliert. Unterschieden wird dabei zwischen der Änderung (1) des Stiftungszwecks in einem die Identität der Stiftung verändernden Maße bzw. der Umwandlung in eine Verbrauchsstiftung, (2) die Stiftung prägender Satzungsbestimmungen und (3) sonstiger Regelungen.

Dieses Satzungsänderungsregime gilt allerdings insoweit nicht, als es im Stiftungsgeschäft durch den Stifter ausgeschlossen oder beschränkt wurde. Die ursprüngliche Stiftungssatzung zählt gedanklich dazu. Des Weiteren können Stifter im Stiftungsgeschäft individuelle Regelungen für die Stiftung treffen, die die gesetzlichen Vorgaben abmildern und damit die Satzungsänderungsmöglichkeiten durch Stiftungsorgane erweitern. Voraussetzung für eine solche Erweiterung ist, dass der Stifter Inhalt und Ausmaß der Änderungsermächtigung hinreichend bestimmt festlegt.

Nun kommen wir zu den Bestandsstiftungen, deren Stiftungsgeschäfte mit Satzungen vor Jahren, Jahrzehnten oder Jahrhunderten verfasst wurden. Nach dem Wortlaut der neuen BGB-Fassung kommt es auf die ursprünglichen Bestimmungen im Stiftungsgeschäft bzw. der Satzung an.

Wie soll ein Stifter in der Vergangenheit gewusst haben, dass die Satzungsänderungen einem Drei-Stufen-Modell unterliegen werden und dass er davon die Abweichungen ausdrücklich und möglichst detailliert regeln soll? Die Erfahrung zeigt, dass die Satzungsänderungsregelungen in den Stiftungssatzungen von Bestandsstiftungen oft nach den Vorgaben der Mustersatzungen der Stiftungsbehörden ausgestaltet wurden. Diese haben sich wiederum nach dem jeweils geltenden Landesstiftungsrecht orientiert.

Die Ausgangslage für die neu zu gründenden Stiftungen ist somit eine ganz andere als die der Bestandsstiftungen und dennoch soll das neue Recht für alle Stiftungen gleich gelten.

Die Satzungsänderungsregelungen der Bestandsstiftungen werden zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Reform im Lichte des neuen Rechts beurteilt. Dies kann dazu führen, dass die Satzungsregelungen die Anwendung des gesetzlichen Drei-Stufen-Modells „versehentlich“ ausschließen und dadurch die gesetzlich normierte Flexibilität einschränken. Oder aber sie erweitern das gesetzliche Modell, jedoch nicht hinreichend konkret entsprechend der neuen Vorgaben, so dass die Erweiterung nicht angewandt werden kann.

Problem erkannt, Problem gebannt? Leider scheint die Lösung nicht so einfach. Denn der Gesetzgeber hat keine ausdrückliche Übergangsregelung für die Bestandsstiftungen getroffen. Immerhin hat der Gesetzgeber in der Gesetzesbegründung einige Hinweise eingebaut, die darauf hindeuten, dass die Bestandsstiftungen ihre Satzungen an die neue Rechtslage anpassen können.

Der Reformgesetzgeber geht in seiner Begründung davon aus, dass die Stiftungsorgane bei einer Gesetzesänderung, einer wesentlichen Veränderung der Verhältnisse, die notwendigen Anpassungen der Stiftungssatzung vornehmen. Überdies soll die Übergangsfrist bis 1.7.2023 Bestandstiftungen gerade die Möglichkeit geben, ihre Satzungen an das neue Recht anzupassen.

Die Stiftungsbehörden sind indes durch die neue Formulierung des BGB verunsichert und fragen sich bei Bestandsstiftungen, ob sie auch bei inzwischen geänderten Satzungen auf die Gründungssatzung abzustellen haben. Dies kann keine praktikable Lösung sein und würde nur zu mehr Rechtsunsicherheit führen. Vielmehr gilt in der geänderten Satzung der ursprüngliche Stifterwille, ggf. ergänzt durch den mutmaßlichen Willen, fort und hat trotz des anderslautenden Gesetzeswortlauts Bestandschutz.

Meiner Ansicht nach muss es jedenfalls noch vor dem Eintritt der Reform und - zur Vermeidung von unbilliger Benachteiligung von Bestandstiftungen - auch nach dem 01.07.2023 möglich sein, den im Stiftungsgeschäft angelegten Stifterwillen entsprechend dem neuen gesetzlichen Satzungsänderungsmodell auszugestalten, damit dieser im Zuge der Reform nicht untergeht. Auch sollte es unabhängig vom Zeitpunkt der Satzungsänderung möglich sein, etwaige durch die Vorgaben der Stiftungsbehörden entstandenen ungünstigen Regelungen wieder abzuändern. Anderenfalls würden im Ergebnis vom Reformgesetzgeber die Bestandstiftungen schlechter gestellt werden als die neu zu gründenden Stiftungen. Dies kann nicht im Interesse des Gesetzgebers sein, der eine Vereinheitlichung des Stiftungsrechts wollte.

In der DSA-Rubrik "Standpunkt Stiftung" werden ausgewählte Stiftungsthemen durch Meinungsbeiträge von Vertreterinnen und Vertretern aus der Stiftungswelt beleuchtet. Weitere Standpunkte finden Sie unter "Aktuelles".