Standpunkt Stiftung: Spenden braucht Impulse – ein Plädoyer für gutes Fundraising
von Prof. Tom Neukirchen, Gesellschafter der Fundgiver Social Marketing GmbH und Berater spendensammelnder Stiftungen und Vereine, Hamburg
Ich habe eine Meinung zu Fundraising. Das dürfen Sie auch erwarten: Ich bin schließlich professioneller Fundraising-Praktiker und lehre das Thema zudem an mehreren Hochschulen. Und selbst heute, nach 25 Jahren in der beruflichen Praxis, bin ich immer wieder erstaunt darüber, wie viele Menschen, die fast keine Berührungspunkte mit Fundraising haben, dennoch eine feste oder vorgefertigte Meinung darüber haben – meistens leider eine negative.
Ein schlechter Ruf – zu Unrecht
Vielleicht haben auch Sie eine Meinung zu Fundraising? Und vielleicht ist sie sogar negativ? Das würde mich nicht wundern, denn die wenigsten Menschen haben hierzulande positive Assoziationen mit dem Begriff Fundraising. Es ist ein bisschen wie die gefühlte Schmuddelecke der Zivilgesellschaft: Vielleicht finden auch Sie die sogenannten Bettelbriefe überflüssig und peinlich, empfinden die Ansprache in Fußgängerzonen als Belästigung und die Online-Anzeigen von spendensammelnden Organisationen, die einen digital verfolgen, als nervig oder ärgern sich über den „Fehler“, versehentlich auf eine Anzeige geklickt zu haben? Und das Ganze produziere ja zudem horrende Verwaltungskosten, was ethisch nicht vertretbar sei, so der Chor der Kritiker.
Richtig ist: Es gibt einige schwarze Schafe in der Branche. Richtig ist aber auch: Die meisten sind nicht schwarz, sondern machen gutes, solides Fundraising. Ob Ihnen das persönlich gefällt oder nicht, ist eine andere Frage. Offenkundig ist es erfolgreich – sonst würde es nicht massenhaft praktiziert.
Meinungen sind häufig der größte Feind der Wahrheit
Wichtig zu wissen ist, dass die meisten großen, spendensammelnden Organisationen, die man so kennt, bei knapp unter 20 % Werbe- und Verwaltungskosten liegen – und dahinter stecken außerdem noch sehr viele Leistungen, die Förderer sich explizit wünschen und worauf sie auch ein Anrecht haben: z.B. Zuwendungsbescheinigungen, transparente Jahresberichte, ein erreichbarer Spenderservice etc. Ich persönlich spreche daher lieber von Verwaltungsleistungen als von -kosten. Ich bin mir aber auch einer ganz einfachen Wahrheit bewusst: Es ist noch nie ein Mensch in Deutschland morgens um halb sieben aufgestanden mit dem plötzlichen Wunsch zu spenden. Spenden braucht Impulse, um aus einem latenten Spendenwunsch einen manifesten zu machen. Diese Impulse liefert gutes Fundraising. Wer keine auf seine Zielgruppe zugeschnittenen Impulse liefert und nicht nach Mitteln fragt, wird auch nichts oder nur sehr wenig erhalten. Dazu müsste man den Mut haben, wenn man hinter der Mission der eigenen Stiftung steht.
Die Wahrheit triumphiert nie, ihre Kritiker sterben nur aus
Trotzdem sträuben sich noch immer viele Stiftungen dagegen, systematisches Fundraising einzuführen. Man will das nicht nötig haben. Hilfreich könnte ein fundamental veränderter Blickwinkel sein: der von außen, von Spendenden. Denn aus einer Vielzahl an Spenderinnen und Spendern entsteht häufig eine Wertegemeinschaft, eine Community, in deren Beziehungen Menschen sich wohl fühlen. Fundraising wird daher auch als Relationship Marketing bezeichnet. Es verbindet Menschen und Stiftungen. Und diese Gemeinschaft erzeugt zudem nach außen, z.B. in der Lobby-Arbeit, eine erhöhte Legitimität. Nicht zuletzt ist es gut zu wissen: Spenden macht Menschen nachweislich glücklich. Es kann also nicht falsch sein, mehr Menschen glücklich zu machen und mit mehr Mitteln mehr für die eigene Stiftung bewirken zu können – durch Fundraising. Oder?
In der DSA-Rubrik "Standpunkt Stiftung" werden ausgewählte Stiftungsthemen durch Meinungsbeiträge von Vertreterinnen und Vertretern aus der Stiftungswelt beleuchtet. Weitere Standpunkte finden Sie unter "Aktuelles".