Standpunkt Stiftung: Die große Transformation funktioniert nur mit der Zivilgesellschaft. Dazu braucht es die Stiftungen!
von Dr. Moritz Kilger, Sustainable Finance / ESG bei PwC und Leiter NKI Sustainable Finance Academy
Nur noch acht Jahre bleiben für das Erreichen der SDGs, viele Unternehmen stellen sich nachhaltig auf, die EU hat den „Green Deal“, Deutschland soll führender Sustainable-Finance-Standort werden, NGOs reden mit Unternehmen auf Augenhöhe, ESG in aller Munde…Der Stiftungstag 2022 zu Nachhaltigkeit kam genau zur rechten Zeit. Stiftungen sollten das Momentum nutzen, um künftig noch stärker bei dem Thema engagiert zu sein.
ESG ist ein Game-Changer, aber kein Selbstläufer: Stiftungen sind gefragt
Viele Unternehmen bewegen sich gerade - aus eigenem ökonomischen Kalkül wohlgemerkt – in Richtung Nachhaltigkeit, aber es müssten noch viel mehr sein. Damit die große Transformation gelingen kann, braucht es nicht nur die Unternehmen, sondern auch die organisierte Zivilgesellschaft in Gänze. Der Zeitgeist geht zwar schon in Richtung Nachhaltigkeit, aber ESG erfährt Gegenwind – nicht nur in den USA wird der dort herrschende Kulturkampf auch in der Nachhaltigkeits-Arena ausgetragen. Wer, wenn nicht Stiftungen, die für das „Schöne, Wahre, Gute“ zuständig und oft – qua Endowment und Steuerbefreiung – privilegiert sind, wäre besser prädestiniert, da dagegenzuhalten und ein klares Zeichen zu setzen. Aber warum sind es meist andere Akteure aus der Zivilgesellschaft und nicht Stiftungen, die hörbar sind? Und wie kann sich das ändern?
Stiftungen müssen sich selbst überwinden: Drei Vorschläge
Ein Problem ist: Stiftungen handeln meist für sich alleine und haben keinen wirklichen Druck. Wenn ein Unternehmen schlecht performt, verschwindet es vom Markt; Stiftungen werden schlimmstenfalls irrelevant. Zudem bewahrt das Board zu oft nur den Status Quo. Das verlangt alleine schon die Satzung, die „Ewigkeitsperspektive“ lässt grüßen. Wir aber leben in der decade of action und es braucht massives Umdenken und Umsteuern - jetzt.
Stiftungen legen Geld an, setzen Programme um, sind Meinungsmacher und Kommunikationsplattformen. Auf allen diesen Gebieten kann für Nachhaltigkeit eingestanden werden. Über Kapitalanlage und Programmatik ist schon viel gesagt worden. Ich habe drei weitere, eher die Governance betreffende Vorschläge mitgebracht: Wie wäre es, wenn
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sich viel mehr Stiftungen in einem echten Joint Venture (Pooling von Ressourcen, Chancen & Risiken) zusammentun, um beispielsweise eine Plattform für Nachhaltigkeit zu schaffen, die die zivilgesellschaftlichen Kräfte vereint und als Sprachrohr in Öffentlichkeit & Politik fungiert?
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sich Stiftungsgremien und Leitungsteams in einer Klausur einschließen und erst dann wieder rauskommen, wenn es eine konkrete Road Map gibt, wie Nachhaltigkeit ins Zentrum des Denkens und Handelns gestellt wird? Der Jahresanfang 2023 bietet sich hierfür an.
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ein echter Bewusstwerdungsprozess einsetzt und noch mehr Stiftungen anerkennen, dass Nachhaltigkeit zutiefst konservativ und damit ihr ureigenstes Thema ist, verbunden mit der Einsicht, dass, wenn sie auf dem Gebiet inaktiv bleiben, sie letztlich ihre Glaubwürdigkeit und Legitimationsbasis untergraben?
Wenn dann dazu noch ein gemeinsamer Auftritt nach außen hinzukommt, kann das dazu beitragen, dass sich der Zeitgeist in einem politisch untersetzten und damit auch irreversiblen Transformationsprogramm manifestiert.
In der DSA-Rubrik "Standpunkt Stiftung" werden ausgewählte Stiftungsthemen durch Meinungsbeiträge von Vertreterinnen und Vertretern aus der Stiftungswelt beleuchtet. Weitere Standpunkte finden Sie unter "Aktuelles".