Standpunkt Stiftung

Standpunkt Stiftung: Weniger ist mehr!

von Dr. Karsten Timmer, Geschäftsführer der panta rhei Stiftungsberatung

„Albtraum Stiftungsförderung“ – so war eine Veranstaltung des SKala-CAMPUS im Oktober 2022 überschrieben, in der Organisationen berichteten, wie schwierig und kompliziert es oft ist, mit Stiftungen zusammenzuarbeiten. Die Berichte von kleinteiligen Auflagen, umständlichen Antragsprozeduren, kurzfristigen Zusagen und aufwendigen Berichtserwartungen ergeben ein tatsächlich albtraumhaftes Bild, das im scharfen Kontrast zur Selbstwahrnehmung des Stiftungssektors steht: Anstatt flexibel und innovativ zu fördern, verbinden viele Stiftungen ihre Förderungen mit umfangreichen Auflagen, die mitunter wenig sinnhaft und oft auch kontraproduktiv sind. Es ist daher aus meiner Sicht dringend an der Zeit, dass Stiftungen ihre Förderprozesse kritisch hinterfragen.

Eine Frage der Prioritäten: nicht nur WAS, sondern WIE fördern wir?

Typischerweise investieren Stiftungen viel Zeit in die Entscheidung, was sie fördern möchten, also welche Projekte sie unterstützen. Frappierend wenig Aufmerksamkeit bekommt allerdings die Frage, wie man am besten fördern kann. Der Standardprozess ist hier immer noch die Zusage über ein oder bestenfalls drei Jahre, die praktisch immer an die Förderung eines bestimmten Projektes gebunden ist. Nur überraschend wenig Stiftungen ist bewusst, wie viel Aufwand und mitunter Schaden diese Art der Unterstützung bei den geförderten Organisationen anrichtet.

Denn für die Projektträger bedeutet es einen immensen bürokratischen Aufwand, sicherzustellen, dass die Auflagen der verschiedenen Geber erfüllt werden. Die Organisationen müssen oft mit verschiedenen Förderungen jonglieren, um die Finanzierung wichtiger Budgetpositionen sicherzustellen. Gutes Personal zu bekommen und zu halten, ist in Zeiten des Fachkräftemangels nochmal extra schwierig, wenn die Zusage nur für ein Jahr gilt – sofern überhaupt Personalkosten übernommen werden. Für flexible Antworten auf neue Krisen und Probleme fehlen typischerweise oft die Mittel, da die Zusagen für die beantragten Projekte verwendet werden müssen.  Dass für jede einzelne Förderung ein eigener individueller Bericht zu erstellen ist, kostet die Zivilgesellschaft außerdem jährlich viele tausend Stunden Arbeitszeit. Kein Unternehmen könnte sich mit so einer Finanzierungsstruktur am Markt halten.

Eine Chance für Stiftungen

Anders als bei den öffentlichen Gebern gibt es für Stiftungen keinerlei rechtliche Einschränkungen, die sie dazu zwingen, ihre Förderungen mit bürokratischen Auflagen zu verbinden. Das eröffnet Stiftungen eine echte Chance: Indem sie flexibler und nachhaltiger fördern, können sie die Wirkung ihrer oft überschaubaren Förderbudgets vervielfachen und ihren Förderpartnern die dringend benötigten Spielräume geben, die andere Förderungen typischerweise nicht zulassen. 

Mir geht es dabei nicht darum, dass alle Stiftungen nur noch zweckungebundene Spenden über unbegrenzte Zeiträume vergeben sollen. Mein Wunsch ist, dass Stiftungen sich kritisch mit ihren Förderprozessen auseinandersetzen und bewusst entscheiden, wie viele Auflagen sie machen müssen und wie viel Freiheit sie den Förderpartnern lassen können:

  • Ist es nötig, dass wir auch für kleinere Förderungen einen umfangreichen Projektantrag fordern?
  • Gibt es gute Gründe, die Förderung an ein bestimmtes Projekt der Organisation zu binden?
  • Brauchen wir wirklich einen maßgeschneiderten Bericht oder reichen uns auch weniger aufwendige Formate?
  • Vertrauen wir der Organisation genug, um ihr mehr Flexibilität bei der Verwendung der Mittel zu geben?

Die richtige Balance aus Vertrauen und Kontrolle

Auf keine dieser Fragen gibt es fertige Antworten – Stiftungen können und sollten die Balance zwischen Vertrauen und Kontrolle jedes Mal wieder gut austarieren. Stiftungen haben dabei wenig zu verlieren, aber viel zu gewinnen.

Denn je besser und effektiver ihre Projektpartner arbeiten können, desto besser werden die Ziele der Stiftung erreicht. Mit der Streichung unnötiger Auflagen haben wir also ein Mittel zur Hand, mit dem wir ohne Aufwand oder Kosten dafür sorgen können, dass unsere Förderungen mehr Wirkung entfalten. Davon profitieren die geförderten Organisationen, die Zielgruppen und die Stiftungen gleichermaßen.

Weniger ist mehr!

Der kürzlich erschienene Leitfaden „weniger ist mehr“ enthält viele Hinweise und Praxisbeispiele, wie Stiftungen ihre Antragsprozesse, ihr Berichtswesen und die Förderverträge entschlacken und Förderzusagen flexibler gestalten können, ohne ihre eigenen Berichts- und Nachweispflichten zu verletzten: www.weniger-ist-mehr.org

In der DSA-Rubrik "Standpunkt Stiftung" werden ausgewählte Stiftungsthemen durch Meinungsbeiträge von Vertreterinnen und Vertretern aus der Stiftungswelt beleuchtet. Weitere Standpunkte finden Sie unter "Aktuelles".