Standpunkt Stiftung

Standpunkt Stiftung: Willkommen auf dem neuen Arbeitsmarkt

von Julius zur Nedden, Leadership Advisory Expert, Egon Zehnder 

Viele Unternehmen und Stiftungen haben große Schwierigkeiten, Mitarbeitende zu finden und zu halten. Trotzdem sind sie sich noch immer nicht bewusst, in welch prekärer Lage sie sich befinden. Denn die Situation wird sich weiter verschärfen. Es ist an der Zeit, dass sich die Organisationen dem neuen Arbeitsmarkt anpassen, so wie es Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer für Jahrzehnte oder Jahrhunderte getan haben. Dafür gibt es zwar kein Geheimrezept, aber ein paar sinnvolle erste Maßnahmen. 

Resignierte Seufzer gehen durch die Flure von Unternehmen, Stiftungen und Organisationen auf der ganzen Welt: „Wo sind sie nur geblieben?“ „Will niemand mehr arbeiten?“ Vielerorts macht sich große Unruhe breit, denn seit 2021 gibt es drei große Entwicklungen auf dem Arbeitsmarkt: 

  1. Eine Rekordzahl von Menschen kündigt ihren derzeitigen Arbeitsplatz.

  2. Die offenen Stellen steigen rasant - und sie bleiben offen. 

  3. Es ist immer ungewisser, ob Mitarbeitende im Unternehmen bleiben. 

Wie ist das passiert?

Die Covid-19-Pandemie wird oft als Ursache für diese Veränderungen genannt, was jedoch zu einfach ist. Viele Beschäftigte hätten ohnehin gekündigt, auch wenn es keine Pandemie gegeben hätte. Die eigentliche Ursache dieser Veränderungen ist der grundlegende gesellschaftliche Wandel.  

In den westlichen Ländern schrumpft die Erwerbsbevölkerung unaufhaltsam. Der Nachwuchs wird knapp und die Alterspyramide ist längst zur Urne geworden. Zwar versuchen einige Länder wie Frankreich oder Japan, das Renteneintrittsalter anzuheben, doch das wird nicht ausreichen, um die Lücke zu füllen.   

Denn zusätzlich buhlt eine Rekordzahl neuer Unternehmen, wie z. B. Start-ups, um diese immer kleinere Zielgruppe. Diese Situation wird noch angespannter, seitdem viele Unternehmen angefangen haben, Mitarbeitende aus fremden Branchen zu rekrutieren.  

Das Resultat? Die Macht auf dem Arbeitsmarkt verschiebt sich: von Organisationen zu Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern. 

Wie können Organisationen reagieren?

Die Arbeitswelt steht vor einer Herausforderung, die nicht über Nacht verschwinden wird, selbst wenn sich die Lage aufgrund einer Rezession etwas entspannen sollte. Es ist an der Zeit, dass Organisationen lernen, mit dem Strom zu schwimmen, um nicht unterzugehen. Dafür gibt es zwei Ansatzpunkte: Sie müssen erstens sicherstellen, dass sie genügend Mitarbeitende einstellen und zweitens alles tun, damit diese auch bleiben. 

Den Tunnelblick loswerden

Organisationen müssen ihren Pool an potentiellen Arbeitskräften erweitern und auch Mitarbeitende mit weniger traditionellem Profil in ihren Ausschreibungen in Betracht ziehen, die z. B. weniger Wert auf Titel und Karriereentwicklung legen und denen persönliche Entfaltung und flexible Arbeitsregelungen wichtiger sind. 

Während der Rekrutierung sollten die Potenziale und Kompetenzen einer Person deshalb im Vordergrund stehen. Das kann z. B. bedeuten, jemanden ohne relevanten Abschluss einzustellen, der aber die nötigen Fähigkeiten mitbringt. Gleichzeitig müssen sie flexible Arbeitszeiten oder Vergütungspakete anbieten. 

Talente halten und entwickeln

Um Talente in der Organisation zu halten, ist das Gehalt zwar wichtig, aber auch das Gefühl von Sinn und Gemeinschaft spielt eine entscheidende Rolle. Arbeitgeber sollten eine Kultur schaffen, die beiden Seiten gerecht wird - der Vision, dem Auftrag und den strategischen Zielen des Unternehmens, aber auch den Bestrebungen, Zielen und Bedürfnissen ihrer Mitarbeitenden.  

Auch darüber hinaus streben Mitarbeitende nach persönlichem Wachstum und individueller Weiterentwicklung. Hier kommen Coaching und Trainings ins Spiel. Diese Instrumente ermöglichen es den Mitarbeitenden, ihre Fähigkeiten und Talente zu entfalten und ihre Kompetenzen gezielt auszubauen. 

Doch all dies erfordert Mut zur Veränderung. Organisationen müssen bereit sein, eingefahrene Strukturen und Denkmuster aufzubrechen. Es geht darum, sich anzupassen und weiterzuentwickeln, so wie es die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer seit Jahrzehnten oder sogar Jahrhunderten getan haben. Andernfalls werden Arbeitgeber im Kampf um Talente den Kürzeren ziehen. 

In der DSA-Rubrik "Standpunkt Stiftung" werden ausgewählte Stiftungsthemen durch Meinungsbeiträge von Vertreterinnen und Vertretern aus der Stiftungswelt beleuchtet. Weitere Standpunkte finden Sie unter "Aktuelles".