Standpunkt Stiftung

Standpunkt Stiftung: Organisationale Resilienz als Entwicklungsziel für Stiftungen

von Dr. Peter Kreutter, Managing Director Foundations der WHU – Otto Beisheim School of Management, Düsseldorf

Die vergangenen Jahre haben uns unmissverständlich vor Augen geführt, wie anfällig unsere Gesellschaft und damit auch die Stiftungslandschaft gegenüber externen Schocks ist. Ereignisse wie die Covid-19-Pandemie, das verheerende Hochwasser im Ahrtal und geopolitische Krisen wie der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine haben verdeutlicht, dass Stiftungen und Non-Profit-Organisationen angesichts solcher Herausforderungen resiliente Strukturen benötigen. Resilienz, verstanden als die Fähigkeit, Krisen nicht nur zu überstehen, sondern gestärkt aus ihnen hervorzugehen, wird zum essenziellen Merkmal nachhaltiger Organisationsentwicklung. 

Zu einer Architektur resilienter Organisationen

Aus konzeptioneller Sicht erfordert dies bestimmte Aspekte, die in einer Organisation etabliert werden müssen: Resilience Capabilities, Resilience Resources und Resilient Behavior. Zu den Fähigkeiten, also den Resilience Capabilities, gehört Anticipation. Diese beinhaltet nicht nur die Entwicklung von Notfallplänen, sondern u.a. die systematische Anwendung von Foresight-Methoden, die es erlauben, holistisch verschiedene mögliche Zukunftsszenarien zu skizzieren. Im Sinne eines Stresstests können dann systematisch die Engpassfaktoren und Schwachstellen sowie denkbare Handlungsoptionen innerhalb zukünftiger Dynamiken eruiert werden.

Sensemaking beschreibt im Gegensatz dazu die Fähigkeit einer Organisation, in unsicheren oder komplexen Situationen gemeinsam Sinn und Verständnis zu schaffen: In Krisen müssen etablierte Annahmen hinterfragt und neue Bedeutungsebenen erkannt werden. Eine offene Kommunikation, die intern hierarchieübergreifend und auch mit externen Stakeholdern erfolgt, ist entscheidend, um Unsicherheiten auszuräumen und ein gemeinsames Verständnis zu erarbeiten. 

Netzwerke helfen in schwierigen Zeiten

Zu den Resilience Resources zählen strukturelle, relationale und emotionale Ressourcen. Eine stabile und flexible Ressourcenbasis, vor allem in finanzieller Hinsicht, robuste Netzwerke sowie die psychische Gesundheit der Mitarbeitenden sind entscheidend, um in Krisenzeiten handlungsfähig zu bleiben. Die Bedeutung starker Netzwerke ist in diesem Zusammenhang empirisch belegt. Netzwerke fungieren als wichtige Plattformen für den Austausch von Wissen und Ressourcen und bieten gleichzeitig soziale Unterstützungsräume, die in Krisenzeiten von unschätzbarem Wert sind. 

Nicht alle Verbindungen müssen dabei gleich stark sein. Die Bedeutung von sog. „weak ties“ darf nicht unterschätzt werden. Dies sind eher lockere unregelmäßige Verbindungen, die Zugang zu neuen Informationen und Perspektiven bieten. Diese „schwachen“ Verbindungen können beispielsweise im Rahmen von Aus- und Weiterbildungen etabliert werden. Emotionale Ressourcen beziehen sich auf das Wohlbefinden und die psychische Leistungsfähigkeit von Individuen in Organisationen. Ein Einklang zwischen persönlichem Sinn und der Mission der Organisation ist entscheidend für die Motivation der Mitarbeitenden – gerade bei Stiftungen und Nonprofits. Regelmäßige Reflektion, Überprüfung und ggf. Neudefinition von Leitbild, Vision und Werten der Organisation stärken diese Verbindung. 

In allen Fällen braucht es Führungskräfte mit einem ausgeprägten strategisch-emotionalen Handwerkskasten, um nicht nur in Krisen, sondern bereits „im Normalbetrieb“ dem Team entsprechende Orientierung zu ermöglichen.

Die Krise als Chance

Schließlich beschreibt Resilient Behavior eine proaktive und unternehmerische Haltung in Krisen. Statt in Krisen zu verharren – und wie das sprichwörtliche Kaninchen vor der Schlange zu erstarren -  sollten Organisationen und Individuen eine offene, positive Haltung bewahren. Oft wird mit „Denial“, also dem Ignorieren der Krise, reagiert, was die Lage sogar noch weiter verschärfen kann. Blockaden müssen überwunden werden, indem man aktiv handelt, ohne in blinden Aktionismus zu verfallen. Die Herausforderungen müssen angenommen und idealerweise als Chance begriffen werden -oder wie es in einem Artikel provokativ formuliert wird: „Even in difficult times, nonprofits can play offense“. All dies ist natürlich einfacher gesagt als getan. Umso mehr bedarf es in Stiftungen und NGOs Führungskräften, die hier voranschreiten und mit ihren Teams gemeinsam aktiv die Zukunft gestalten.

Wer sich intensiver mit diesen Themen beschäftigen möchte, dem sei zum einen das neue Buch „Resiliente Organisation und Führung von Stiftungen“ empfohlen. In diesem stellen verschiedene DSA-Alumni belastbare Konzepte vor und teilen ihre Erfahrungen rund um das Thema Resilienz. 

Zum anderen das „Management-Führungskräfteprogramm für Non-Profits“ von DSA und WHU – Otto Beisheim School of Management vom 4. bis zum 8. November 2024. Dieses bietet den Rahmen, um Management- und Führungskompetenzen auf- und auszubauen, das eigene Führungsverständnis zu reflektieren und sich mit Kolleginnen und Kollegen zu vernetzen, die in ähnlichen Rollen aktiv sind.

In der DSA-Rubrik "Standpunkt Stiftung" werden ausgewählte Stiftungsthemen durch Meinungsbeiträge von Vertreterinnen und Vertretern aus der Stiftungswelt beleuchtet. Weitere Standpunkte finden Sie unter "Aktuelles".