Standpunkt Stiftung

Standpunkt Stiftung: Habt Mut und einen langen Atem!

von Tim Göbel, geschäftsführender Vorstand, Schöpflin Stiftung, Lörrach

Warum sehen wir Stiftungen nicht noch mehr als Risikokapitalgeber für die großen gesellschaftlichen Transformationen – wie Demokratie-Zukunftsfähigkeit, Digitalisierung, Dekarbonisierung, gesellschaftliche Diversität? 
Anders als zum Beispiel Unternehmen mit ihrer Gewinnmaxime oder die öffentliche Hand mit dem Versorgungsauftrag können sie Experimente zur Lösung dieser drängenden globalen Problemfelder ermöglichen. Wichtig: acht von zehn Investitionen eines guten Risikokapitalgebers scheitern, aber ein bis zwei “fliegen”. Was es dafür braucht: einen langen Atem und viel Kollaboration.   

Warum ein langer Atem? Und warum Kollaboration als Handlungsmaxime? Lassen Sie mich das an Hand des Beispiels des gemeinwohlorientierten Journalismus erläutern: 
Unsere Mission der Demokratiestärkung brechen wir als Schöpflin Stiftung herunter, u.a. in Form der Unterstützung eines lebendigen gemeinwohlorientierten Journalismus mit seiner wichtigen Vermittlungs- und Aufklärungsfunktion. Für uns als Stiftung begann diese Unterstützungsreise vor zehn Jahren mit der Förderung der ersten einzelnen gemeinnützigen Journalismusorganisationen. Wir lernten über Gespräche und Besuche vor Ort viel über die Bedarfe der Organisationen und des noch jungen Feldes.

Zuhören als Kernkompetenz

Doch am wichtigsten war das intensive Zuhören: wir lernten, was den Redaktionen fehlt – Infrastrukur wie Audio- und TV-Studios, Eventräume und Apartments für Journalisten aus dem Ausland. Wir entschieden auf Basis eines Impulses aus dem Feld: es braucht ein Haus für Journalismus, eine Heimat für alle, die Journalismus machen und Öffentlichkeit gestalten. Damit war die Idee zu Publix geboren – einem Haus mit 320 Arbeitsplätzen in Berlin, das diesen Sommer eröffnet. Wir gingen also weiter, von der Einzelförderung in eine Ökosystemförderung. 

Ein nächster Entwicklungsschritt für uns war dann gemeinsam mit zwei Partnern der Start des JX-Fund (steht für Journalists in Exile), einem Finanzierungsangebot für Exil-Journalisten aus Russland, Belarus und der Ukraine, in dem private wie öffnetliche Mittel gebündelt und mittels Juryverfahren vergeben werden. 

Mobilisierung von Mitteln

Grundlage für diese Initiativen waren die über Jahre gewachsenen, vertrauensvollen Beziehungen zu Förderpartnern, zu anderen Stiftungen, zur öffentlichen Hand. Unsere Erkenntnis: Um aber mehr Journalismusinnovationen und -vielfalt zu stimulieren, braucht es deutlich mehr Geld. Gemeinsam mit einem breiten Bündnis von Stiftungen und Impact Investoren starten wir diesen Sommer den “Media Forward Fund”, der substantielle Mittel zum Aufbau nachhaltiger Geschäftsmodelle für gemeinwohlorientierte Redaktionen in Deutschland, Österreich und der Schweiz vergeben wird. Einzelförderungen, Funds und ein Haus als Infrastruktur-Unterstützung – das war bisher unsere Förderreise im Journalismus. 

Zurück zum Risikoinvestor: der muss das Scheitern immer einkalkulieren. Auch bei uns sind auf dieser Reise Förderungen nicht „geflogen“ oder eigene Initiativen nicht eingeschlagen. Aber wir sind überzeugt, dass Stiftungen auch bei unvermeidlichen Misserfolgen mehr Gewinn als Verlust aus einem mutigen Förderansatz ziehen.

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In der DSA-Rubrik "Standpunkt Stiftung" werden ausgewählte Stiftungsthemen durch Meinungsbeiträge von Vertreterinnen und Vertretern aus der Stiftungswelt beleuchtet. Weitere Standpunkte finden Sie unter "Aktuelles".